Der Zeitraffer braucht Zeit zum Produziertwerden.
Die Zeitlupe braucht Zeit zum Angeschautwerden.
Die stürmischen Wellen, die an die Insel branden, sehen von weit oben langsam und gemächlich aus.
Das Weltall in der sich ausdehnenden Ferne muss beschleunigt gedacht werden, um begriffen zu werden.
Die Zeitlupe ist assoziiert mit dem Mikroskopischen, zumindest mit der Detailaufnahme.
Der digitale Hochgeschwindigkeitsbildsensor teilt seine Fläche um seine Geschwindigkeit zu erhöhen; die zeitliche Auflösung steigt und die Pixelauflösung sinkt.
Zeitveränderung und Raumwahrnehmung:
Die Landschaft wirkt plastischer wenn die Wolken rasen.
Das Wasser im Glas wirkt plastischer wenn der auftreffende Tropfen sich dem Stillstand nähert.
Die Modellaufnahmen wirken authentischer wenn sie mit höherer Bildrate aufgenommen werden.
Ein Sechstel Geschwindigkeit erinnert an die Gravitation des Mondes.
Die verlangsamte Verformung des Gesichts in der Bewegung erinnert an die Unförmigkeit der Gesichter der AstronautInnen.
Der Zeitraffer ist eine Strategie der Verdichtung; mit der Masse sollte auch die Gravitationskraft steigen.
Auch die Zeitlupe übertreibt; aber nicht die Masse.
Die Zeitlupe verdichtet gasförmige und flüssige Medien; wenn man so will, den Äther.
Die echte Zeitlupe zerhackt nicht; und weil sie das nicht tut, wirkt sie für unsere Augen umso geschmeidiger.
Die Zeitlupe verbraucht viel Licht.
Der Zeitraffer lädt die Dunkelheit zu sich.
Der Zeitraffer verlangt nach Berechnung.
Die Zeitlupe verlangt nach schnellem Handeln.
Die Einzelbilder des Einschlags von Shoemaker Levy auf Jupiter am 16. Juli 1994 wurden im 30 Sekunden Takt gemacht.
Das Fraunhofer Institut simulierte kürzlich den Einschlag eines Asteroiden auf der Erde. Die ersten Test-Projektile, von komprimiertem Gas angetrieben, schlugen Krater von 20 bis 30 Zentimetern Durchmesser in den Stein – obwohl sie selbst nur einen Durchmesser von einem Zentimeter besaßen. Eine Hochgeschwindigkeitskamera dokumentierte die einzelnen Stadien des Einschlags im Labor.
Das Aufnehmen von Zeitraffern erlaubt maximale Bildauflösung und erzeugt grosse Datenmengen.
Die gepixelten Filmdateien der Zeitlupe werden immer kleiner je grösser die Bildrate.
You’ll _never_ fill up a 4 GB card with hispeed video. You can shoot for about 40 minutes (realtime) on one card. Doesn’t seem like a lot until you remember that the resulting video is 10 times longer. So you’re going to be shooting a 6 second rocket launch, then watching it play back in 1 full minute. You could do that about 400 times per card. In other words, almost 7 hours of footage.
Die Gestik und Mimik eines Menschen werden im Zeitraffer lächerlich gemacht.
Die Zeitlupe verleiht der menschlichen Bewegung Dimensionen grosser Gefühle.
Die Jugendlichen der Unterschichten altern schneller; viele sehen mit 16 aus wie 35.
Die Aristokratie denkt in Jahrhunderten; der Inzest macht ihnen einen Strich durch die Rechnung.
Hauptanwendungsfeld von Hochgeschwindigkeitsfotografie ist Qualitätssicherung in der industriellen Fertigung; dazu wären auch militärische Tests zu zählen.
Die erfolgreichen Naturdokus der BBC unterlegen ihre Zeitrafferbilder mit höchst artifiziellen Toncollagen aus field recordings und elektronisch generierten Sounds.
Eine typische Hintergrundmusik für Zeitlupenaufnahmen, insbesondere mit parodistischem Inhalt, ist das von Vangelis komponierte Instrumentalstück “Chariots of Fire”.
Weitaus schönere Zeitmusiken sind z.b. die letzten 45 Sekunden von “Ich und die Wirklichkeit” (DAF) und “Machine Gun” (Portishead). Warum?
Philipp Glass macht auch feine Musik, aber die wurde für immer von Godfrey Reggio gekidnappt. Gut oder schlecht?
Die Frage die sich stellt ist die der normalen Wahrnehmung von Zeit durch das menschliche Gehirn.
Die Welt der Fliege wie sieht sie aus und wie die einer Singularität?
Verwackelte Bilder:
Um das Stativ herumschleichen und dann trotzdem anstossen. Shit.
Selbst im Superzoom und mit wackliger Hand wirken 1200 fps jedoch wie allerfeinste Steadycam.
Bullet time ist der im Raum bewegte Nullpunkt der Hochgeschwindigkeitsfotografie. Vielleicht hat das mit Zeitlupe gar nichts mehr zu tun? Obwohl, der plastische Effekt ist der gleiche.
Zeitlupe von Dingen die eigentlich Zeitraffer sind:
- in eine Wolke soweit hineinzoomen, dass man die Kondensation von H2O an Schmutzpartikeln beobachten kann
- in einen Stern soweit hineinzoomen, dass man die Fusion von zwei Wasserstoffatomen zu einem Heliumatom beobachten kann
Zeitraffer von Dingen die eigentlich Zeitlupe sind:
- von einem Mikrometeoriteneinschlag auf der Mondoberfläche soweit rauszoomen, dass man ein Muster einer Gausschen Verteilung der Einschläge über die Zeit beobachten kann und die eigenartigen Sedimentierungen und die Überlappung der ellipsenförmigen Schockwellen.
- das Fliessen einer zerbrochenen Glasscheibe
Das Pechtropfenexperiment müsste mit Zeitraffer UND Zeitlupe aufgezeichnet werden:
To date, no one has ever actually witnessed a drop fall. The experiment is in the view of a webcam although technical problems prevented the most recent drop from being recorded.
Gottes Zeitraffer Setup: Weltweit gibt es zu jedem beliebigen Zeitpunkt 2000 bis 3000 Gewitter, was auf der gesamten Erde täglich 10 bis 30 Millionen Blitze ergibt (andere Schätzungen gehen nur von 4 Millionen aus). Das sind über 100 Blitze in jeder Sekunde.
Zeitraffer die ich dann doch gerne machen würde:
- das Wachstum von Flechten auf Fels
- die Entstehung von Fossilien
- das Werden der Ruinen
- das Driften der Kontinente
- die Geburt und der Tod von Sternen
- die Entstehung der Mondlandschaft
- das Wachstum der nordschwedischen Fichten
- das Zerfurchen des Gesichts durch Falten
- das Kollidieren zweier Galaxien
Zeitlupen die ich trotz allem gerne aufnehmen würde:
- der Urknall
- der tatsächliche physische Kontakt zweier kollidierender Felsplaneten
- die Synapsenreaktion beim Verlieben
- die Verschmelzung von DNA
- das neundimensionale Schlängeln eines Strings
Zeitlupe: Wasserballon, Fliegenflügelschlag, Blinzeln, das Flattern eines Plastiksacks im Wind, das Brechen einer Welle, das Bersten einer Seifenblase, das Anzünden einer Zigarette, ein umfallender Mensch, ein Wassertropfen
Dinge die dramatisch aussehen:
ein Wassertropfen, ein Schrei oder ein Lachen, ein Augenblick, etwas das fällt
Dinge die erhaben aussehen:
ein Sonnenuntergang, eine Biene die eine Blüte besucht, die spriessenden Blätter eines Baums im Frühling
Veränderte Gravitationskraft:
ein zerplatzende Wasserballon, ein Wassertropfen
Zeitraffer und Zeitlupe machen Dinge generisch:
DER Sonnenuntergang, DIE Wolken, DER Wassertropfen, DER fliegende Vogel, DER Blitz, DAS Feuer, DIE Welle, DER Schaum
Drogen:
Allzuschnell denkt man: Zeitraffer – Amphetamine, Koks. Und Zeitlupe – LSD, Meskalin. Aber vielleicht ist das alles ganz andersrum. Mit 16 hab ich z.B. meine ersten Zeitraffer erlebt, als ich auf LSD die Schatten an der Wand wandern sah. Und was erzählt Burroughs über tagelanges Anschauen seiner Zehen auf Heroin?
Post a Comment